Direkt zum Hauptbereich

Brauchen wir ausgebildete Projektmanager?

Vor kurzem wurde ich gefragt, was ich so als Berater mache. Ich erzählte von Scrum, PRINCE2 und Co. Was passierte? Meine leuchtenden Augen blickten in verständnislose Augen. Wieso sei denn das so schwierig mit den Projekten? Und außerdem sei das doch wie beim Hausbau. Man müsse halt einen Plan machen und den durchziehen. Ja, warum brauchen wir eigentlich einen methodischen Umgang mit Projekten? Gute Frage.

Liebe Beraterkollegen, seien wir mal ehrlich: Wer interessiert sich denn wirklich für Projektmanagement? Für normale Menschen ist das ein echtes Nischenthema. Und diejenigen, die tatsächlich Projekte machen, meinen - wahrscheinlich zu recht -, dass schon zu Beginn der Projektplan unrealistisch ist. Da helfe eh keine Methode mehr, um den Karren aus dem Dreck zu ziehen.

Seh nur ich da Probleme und Lösungen? Vielleicht interessiert Sie, warum ich als ausgebildeter Ingenieur und Entwickler methodisches Projektmanagement genauso wichtig finde, wie das Entwickeln von Software.

Mein Weg zum Projektmanagement

Mich interessiert das Thema seit gut zehn Jahren stärker. Damals haben wir Projekte gemacht. Sie liefen zwar mehr oder weniger gut. Trotzdem gab es immer wieder Beschwerden. Natürlich konnten wir die irgendwie lösen. Aber ich wollte mal wissen, ob es einen systematischen Grund gab.

Zunächst habe ich mich mit Kollegen und Kunden unterhalten. Aha! Es stand irgendwas im Vertrag oder Angebot, was nicht eingehalten wurde. Also habe ich mir mal die Verträge und Angebote genauer angesehen.

Und tatsächlich: Da stand nur irgendwas. Zu wenig konkretes. Jede Seite hat in dieses Unkonkrete seine Bedürfnisse hinein interpretiert. Die Argumente beider Seiten war plausibel.

Seit dem Moment habe ich mich stärker um Verträge und Angebote gekümmert. Ich habe konkret aufgeschrieben, wer was zu tun und zu liefern hat. Verträge sind nicht für die Schublade sondern für das Team, das damit arbeitet.

Wie wir wissen, ist jede Lösung die Quelle für neue Probleme. So verlagerten sich die strittigen Punkte an eine andere Stelle. Bei genauerer Betrachtung wurde klar, dass die Zuständigkeiten und Anforderungen gar nicht geklärt waren.

Ich habe mich zwar schon vorher für Projektmanagementmethoden interessiert. Aber mir war nicht klar, dass dort der Schlüssel zum Erfolg liegt. Die meisten Methoden waren mir zu kompliziert (z. B. RUP - Rational Unified Process) oder zu unkonkret (z. B. PMBOK - Project Management Body of Knowledge).

Meine Entdeckung von PRINCE2

Zufällig habe ich ein Buch von Colin Bentley über PRINCE2 gelesen (/1/). PRINCE2 ist anders. Es macht konkrete Vorschläge zum Vorgehen und zu den nötigen Informationen. Das gefiel mir. Interessant fand ich die Bemerkung, dass eine Methode das Gegenteil von "Versuch und Irrtum" sei. Zudem biete eine Methode mehrere Vorteile (/1, S. 4/):
  • Eine Methode ist wiederholbar.
  • Sie lässt sich unterrichten.
  • Sie baut auf Erfahrungen auf.
Wir haben seit 2008 mehr als 150 Personen in PRINCE2 geschult. Die Rückmeldungen waren sehr positiv. Die einzelnen Projektmanager und Projektmanagerinnen (PM) haben wieder das Gefühl, die richtige Arbeit zu tun. Für den Projekterfolg ist nämlich der Auftraggeber und nicht der PM verantwortlich. Die Zusammenarbeit zwischen Entwicklern und PM klappt besser, weil die Verantwortungsbereiche klar. Und am wichtigsten: Die Projekt laufen besser und geräuschloser.

Meine Entdeckung von Scrum

Irgendwann saß ich mit einem Kollegen bei einem neuen Kunden. Der Kunde war sehr skeptisch, ob unsere Firma ein Projekt stemmen könne, das für ihn sehr wichtig war. Unser Gefühl war, dass wir nur wenig Zeit haben (vielleicht ein paar Wochen), um den Kunden Ergebnisse zu zeigen. Wir haben Team und Kunde mit einem externen Trainer in Scrum ausgebildet und das Projekt gestartet. Nach dem zweiten Sprint war die Skepsis gewichen. Der Kunde konnte Vertrauen zu uns aufbauen.

Warum also Methoden?

Meine persönlichen Erfahrungen haben mir gezeigt, dass Projekte, in denen die Beteiligten methodisch arbeiten, sehr viel besser laufen. Sie sollten Ihre eigenen Erfahrungen machen und nicht meine übernehmen.

Eine Ausbildung in Methoden ist wichtig, weil sie unsere übliche Herangehensweise an Projekte ändern. Wolf hat in einem Beitrag gut zusammengefasst, warum Projekte so schwierig sind (/2/). Es geht um Wissensarbeit und komplexe Kooperation der Beteiligten.

Ohne methodische Ausbildung verfallen wir in den Reflex, eine Aufgabenliste zu erstellen. Erst duch eine methodische Ausbildung fangen wir an, über Begriffe und Phänomene des Projektmanagements nachzudenken. Erst durch das Nachdenken erkennen wir die wichtigen Prinzipien in unserem Projektalltag. Nicht-ausgebildeten Projektmitarbeitern werden bestimmte Phänomene nicht auffallen.

Durch unser besseres Verständnis achten wir auf Handlungen und ändern unsere Handlungen. Eine Methode schlägt uns in bestimmten Situationen Handlungen vor. Ob wir wie vorgeschlagen oder anders handeln, bleibt unsere Wahl.

Mir ist klar, dass keine Methode alle Projektprobleme lösen wird. Aber ein tieferes Verständnis für Projektmanagement ist der Anfang. Deswegen finde ich es gut, wenn Projektmanager und Projektmanagerinnen ausgebildet werden.

Anmerkungen

  • /1/ Bentley, Colin: PRINCE2: A Practical Handbook. New York: Routledge, 2012. 
  • /2/ Wolf Steinbrecher: Wie können wir definieren, was ein „ Projekt“ ist? (Und wozu brauchen wir in der Praxis überhaupt eine solche Definition?), Teamworkblog, erschienen am 02. September 2013, abrufbar unter http://www.teamworkblog.de/2013/09/wie-konnen-wir-definieren-was-ein.html

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Die Profi-Tools im Windows-Explorer

Haben Sie bei der Urlaubsvertretung sich manches Mal geärgert, wenn Sie Dateien gesucht haben, die ein Teammitglied abgelegt hat? Die Suche im Explorer funktioniert tadellos, aber manchmal sollte man den Suchbegriff noch ein bisschen genauer fassen können. Z.B. mit UND oder ODER oder NICHT... Das geht so einfach, dann man von alleine kaum drauf kommt:

Was macht ein agiles Project Management Office (PMO)?

Was macht eigentlich ein Projektmanagementoffice, insbesondere wenn es auch agile Projekte in der Organisation gibt? Muss man es abschaffen, wenn alle Projekte agil umgesetzt werden? Was machen die Personen, die im PMO tätig sind? Hier ist ein Vorschlag für eine agile Ausgestaltung eines PMO.

Microsoft Teams: Die neuen Besprechungsnotizen - Loop-Komponenten

  Haben Sie in letzter Zeit in einer Teams-Besprechung die Notizen geöffnet? Dort sind inzwischen die Loop-Komponenten hinterlegt. Die sind zwar etwas nützlicher als das, was zuvor zur Verfügung stand. Trotzdem ist noch Luft nach oben. Und es gibt sogar einige ernstzunehmende Stolperfallen. Hier ein erster, kritischer Blick auf das was Sie damit tun können. Und auch darauf, was Sie besser sein lassen.

Das Ubongo Flow Game

Spiele bieten eine gute Gelegenheit, zeitliche Erfahrungen zu verdichten und gemeinsam zu lernen. Karl Scotland und Sallyann Freudenberg haben im Mai 2014 das Lego Flow Game veröffentlicht. Wir haben die Spielidee übernommen, aber das Spielmaterial gewechselt. Statt Legosteinen benutzen wir Material aus Grzegorz Rejchtmans Ubongo-Spiel. Hier präsentieren wir die Anleitung für das Ubongo Flow Game.

Kategorien in Outlook - für das Team nutzen

Kennen Sie die Kategorien in Outlook? Nutzen Sie diese? Wenn ja wofür? Wenn ich diese Fragen im Seminar stelle, sehe ich oft hochgezogene Augenbrauen. Kaum jemand weiß, was man eigentlich mit diesen Kategorien machen kann und wofür sie nützlich sind. Dieser Blogartikel stellt sie Ihnen vor.

Erfahrung mit Vibe-Coding - und warum das keine Teamprobleme löst

Die KI-Werkzeuge zum Erstellen von Werkzeugen für die tägliche Arbeit werden immer besser. Die selbstgestrickten Tools erleichtern die eigene Arbeit. Aber für den Einsatz im Team fehlt noch etwas.

E-Mails, Fragmentierung der Arbeit – und dann auch noch KI

Die Einführung von KI in die Arbeitswelt wird von zahlreichen Preisungen ihrer Vorteile begleitet. Sind diese realistisch? Ein Blick zurück auf vergangene Phasen der Digitalisierung lässt erkennen, dass versprochene Erleichterungen in der Praxis nicht eintraten. Im Gegenteil nahm die Produktivität bei Wissensarbeitern ab, der Stress nahm zu und wichtige Herausforderungen verschwinden aus dem Blickfeld. – Was könnten juns diese Erfahrungen für unseren Umgang mit KI lehren?

Rebellieren für den Wandel: die 8 Regeln des totalen Stillstandes von Prof. Dr. Peter Kruse

In einem legendärem Vortrag skizzierte Peter Kruse 8 Regeln des totalen Stillstands. Ihm zufolge wurden die Regeln entwickelt, um Managern und Führungskräften dabei zu helfen, Bereiche mit potenziellem Widerstand gegen Veränderungen zu erkennen und Menschen auf strukturierte Weise durch den Veränderungsprozess zu führen.

Und jetzt alle zusammen! Teams - OneNote - Aufgaben - To Do

Ein Meeting jagt das nächste. Sich da nicht zu verzetteln, wird  im Zeitalter virtueller Besprechungen  noch anspruchsvoller. Kein Wunder, dass  im Zusammenhang mit Microsoft 365  zwei Fragen besonders häufig auftauchen: Wie dokumentiert man Besprechungen gut? Was hilft, offene Aufgaben nachzuhalten? Eine gute Lösung: Das in MS Teams integrierte OneNote-Notizbuch als gemeinsame Plattform auch für den Aufgabenüberblick zu nutzen.

Outlook-Aufgabenliste: bitte nicht die Aufgaben des ganzen Teams!

Am Tag der Arbeit kommt eine Lösung, nach der ich schon so oft gefragt wurde: Wie schaffe ich es, dass meine Outlook-Aufgabenliste nur meine eigenen Aufgaben anzeigt und nicht auch die E-Mails, die meine Kollegen gekennzeichnet haben oder Aufgaben, die einfach in einem gemeinsamen Postfach stehen?