Gelegentlich
berate ich IT-Trainer, die als externe Trainer Mitarbeiter in
Unternehmen schulen. Ich reise mit dem jeweiligen Trainer mit,
achte auf sein Auftreten und darauf, ob sein Wissen bei
den Mitarbeitern ankommt. Unabhängig von der Kompetenz des
Trainers treffe ich dabei seitens der Mitarbeiter nicht selten auf Skepsis
gegenüber dem neuen Wissen oder neuen Methoden bis hin zu großen
emotionalen Widerständen.
Im Gegensatz zu inhaltlichen
Widerständen sitzen emotionale Widerstände viel tiefer beim Mitarbeiter. Er kann sich überhaupt nicht vorstellen, dass das
Schulungswissen in seinem Unternehmen anwendbar ist. Die Gründe
dafür liegen häufig in internen Entscheidungen und
Fehlentwicklungen. Er hat das starke Gefühl, dass er gewisse
Probleme überhaupt nicht lösen kann, weil sie außerhalb seiner
Verantwortung liegen.
Woran erkennt man emotionale Widerstände?
Wenn Sie oder Ihr
Auftraggeber denken, dass die Mitarbeiter unmotiviert sind,
steckt dahinter meist ein tief sitzender, emotionaler Widerstand. Wer
ihn in seinem Training übergeht, stößt je nach Gruppendynamik auf
schweigende Ignoranz oder das gute alte Kill-The-Trainer-Spiel. Die Mitarbeiter werden jede Gelegenheit nutzen, dem Trainer zu
beweisen, dass er unrecht hat. Der ein oder andere Trainer versucht es dann mit 350 Powerpointfolien und markigen Sprüchen, die didaktische Schwächen kompensieren sollen - leider ohne Wirkung.
Was erwartet der Auftraggeber?
Der Auftraggeber erwartet vom Trainer,
dass seine Mitarbeiter nachhaltig lernen, sie eine angenehme Zeit
während des Trainings verbringen und dass jeder Mitarbeiter nach dem
Training motiviert und kompetent ist, das neue Wissen sofort
umzusetzen. Wenn die Mitarbeiter nach dem Training erschöpft oder
überfordert sind, die Schulung vielleicht sogar wiederholt werden
muss, wird der Trainer wahrscheinlich nicht wieder beauftragt.
Wer als Trainer emotionale Widerstände
bei den Mitarbeitern ignoriert, verpasst die Chance, ihr Vertrauen zu
gewinnen. Sie öffnen sich nicht für den Trainer und seine Inhalte.
Sie werden keine angenehme Zeit haben, weil sie sich nicht ernst
genommen fühlen. Und das neue Wissen werden sie nicht leicht
umsetzen, weil sie über die gesamte Dauer des Trainings innerlich
ihre Gründe gegen die Machbarkeit der neuen Methode aufrecht erhalten
haben.
Die beruhigende schlechte Nachricht
Nicht alle emotionalen Widerstände
lassen sich ausräumen. Das liegt aber nicht am Trainer. Manchmal
lässt sich eine Methode tatsächlich nicht auf den
Unternehmenskontext übertragen.
Was kann der Trainer tun?
In einigen Fällen lassen sich emotionalen Widerstände
abschwächen oder zumindest kurz überlisten.
Speedboat, entwickelt von Luke Hohmann eignet sich hervorragend dafür. Bei diesem Spiel erkennen die Mitarbeiter in einem geführten Rahmen die brennendsten
Probleme in ihrer Arbeit. Dabei werden die Probleme visualisiert und
nicht zerredet. Reden über Probleme erzeugt nur weitere Probleme und
die Sitzung bekommt keine produktive Richtung.
Jan hat darüber bereits im
Januar ausführlich berichtet: „Der Spielleiter malt ein Motorboot
auf. Dieses Boot symbolisiert das Produkt. Das Boot ist eigentlich
ganz schnell, doch es gibt verschiedene Anker, die es ausbremsen. Die
Spieler sollen nun auf Post-its diese Anker benennen und an das Boot
heften. Leichte Anker haben eine kurze Kette und hängen kurz unter
dem Boot. Schwere Anker haben eine lange Kette. Immer wenn ein
Spieler einen Anker anbringt, fragt der Spielleiter nach, in welcher Tiefe er den Anker anbringen soll. Nacheinander stellt jeder
Spieler seine Anker, die unser schnelles Boot langsam machen. So
lernen die Kunden voneinander und der Spielleiter bekommt ein
besseres Verständnis für die Verbesserungsbereiche.“
Bei Speedboat kommt es ursprünglich
nicht darauf an, Lösungen zu suchen. Aber man kann das Team damit
aus dem Energieloch heraus ziehen.
Was wäre, wenn ein Wunder geschähe?
Wenn das Team sein fertiges Speedboat
betrachtet, sind sich zunächst alle im Klaren und einig, wo genau
die Probleme liegen. Vielleicht sieht aber noch niemand die
Möglichkeit, etwas ändern zu können.
Hier bieten sich drei magische Fragen
(/1/) an, um die Aufmerksamkeit von den Problemen weg zu führen:
- An welchen kleinsten Anzeichen erkennt Ihr, dass die Anker gehoben sind?
- Gab es schon einmal Anzeichen dafür und welche waren das?
- Welche nächsten kleinsten Schritte müsstet Ihr tun, um den Anker zu lichten?
Damit überlistet man die
vorherrschende Meinung, dass eine Lösung unmöglich ist. Die
Befragten sind damit beschäftigt, konkrete Unterschiede zwischen der
aktuellen Situation und dem Zielzustand zu benennen. Da das Gehirn
zwischen Realität und Phantasie (fast) nicht unterscheidet,
identifizieren sie sich für einen Augenblick damit, dass ihre
Probleme lösbar sind. Es stellt sich auch heraus, dass die Situation
weniger festgefahren ist, als angenommen. Die Frage nach den nächsten
kleinsten Schritten eröffnet die ersten kleinen
Lösungsmöglichkeiten. Im Gespräch bringt jeder seine Ressourcen
ein und erscheint wertvoll für das Team.
Von unmotivierten Mitarbeitern fehlt
plötzlich jede Spur.
Anmerkungen
- /1/ Die erwähnten Fragen sind angelehnt an die sogenannte Wunderfrage von Insoo Kim Berg und Steve de Shazer.
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