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Lean Coffee Frankfurt/Karlsruhe, Nachschau zum Termin 35

In Zeiten der Online-Meetings ist echte Zusammenarbeit noch schwieriger. Im Lean Coffee Frankfurt/Karlsruhe unterstützen sich Agilisten gegenseitig dabei, nicht nur für dieses Thema gute Lösungen zu finden. Alle, die diese Schwarmintelligenz für sich und ihreThemen nutzen möchten, dürfen sich gerne in einer der beiden Gruppen des Joint Ventures anmelden:

https://www.xing.com/communities/groups/lean-coffee-frankfurt-am-main-16ea-1139176/about

https://www.xing.com/communities/groups/lean-coffee-karlsruhe-16ea-1139173/about


Die z. T. kleinen Äuglein, die sich an diesem Dienstagmorgen in unseren Zoom-Zimmern zeigten, täuschten über die  anschließende Lebhaftigkeit der Runde hinweg. Hier kommen gleich die diskutierten Themen.

Wie schafft Ihr psychologische Sicherheit im Team? (mit Verlängerung)

Auslöser für diese Frage war die eigentlich schon frühe Erkenntnis, im Zeitalter von Corona, MS Teams und Zoom nur eine „Kachel mit Stimme“ für das verteilte Team zu sein, mit dem man arbeiten soll. Die Themengeberin erhoffte sich neben ihren eigenen Ansätzen einen methodischen roten Faden.

Das Team darf helfen...

Der erste Kommentar lautet, dem Team die Chance zu geben, einmal auszuhelfen, nicht immer der oder die erste zu sein, wenn es um Übernahme von Arbeiten geht. Das Team soll weiterhin Zeit erhalten, auch den Scrum Master einmal zu korrigieren, Stichwort Fehler machen (was denn? Auch Scrum Master sind schließlich nur Menschen). Prägnanter Imperativ: „Sei derjenige, der zugibt, etwas nicht zu verstehen.“ Und das am besten in einer größeren Runde. Wobei wir auch gleich wieder bei einem agilen Wert wären, dessen Umsetzung uns wahrscheinlich am meisten Überwindung kostet (freche Annahme der Red.): Mut.

Es geht nichts über die persönliche Beziehung

Eine andere Teilnehmerin rät, die persönliche Beziehung mit den Teammitgliedern herzustellen (die Personen von ihrer menschlichen Seite kennenlernen), und empfiehlt für das bessere gegenseitige Kennenlernen eine kleine Frage vor jedem Daily als ice-breaker, à la: Welches ist der extremste Sport, den du einmal ausprobiert hast? (Natürlich dabei hübsch auf die timebox achten, aber es stimmt: Manchmal kommen Mitglieder tatsächlich schon etwas früher in den Termin, und diese Zeit kann dann wunderbar dafür genutzt werden.)

Der dritte im Bunde kommt auf gemeinsame Regeln zu sprechen, die aufzustellen, klare Vereinbarungen, die zu treffen sind. Er lenkt den Blick darauf, dass Festlegungen sich manifestieren müssen, entsprechende Ergebnisse einzufordern sind. Eine weitere Idee lautet, sich selbst zu zeigen, etwas von sich selbst preiszugeben. Häufig von Erfolg gekrönt sei auch, sich auf andere Art kennenzulernen, beispielsweise über Events. Der Teilnehmer rät am Schluss, die verschiedenen Verhaltensweisen im Team zu beobachten und auf jeden individuell einzugehen.

Auch passend aufgesetzte Technik schafft psychologische Sicherheit

Eine etwas anders gelagerte Sicht (siehe auch weiter unten Literaturhinweis aus dem Chat) hebt auf continuous delivery ab, klaren Prozessen, die dem Team „Trittsicherheit“ garantieren. Aufgabe des Scrum Masters ist es, den Untergrund zu befestigen, dafür zu sorgen, dass in puncto Zusammenarbeit und Technik so viel Klarheit wie möglich vorhanden ist, sodass durch diese Reduktion von Schmerz wieder Raum für Kreativität entstehen kann.

Eine andere Teilnehmerin spricht von den „Lauten“ und den „Leisen“ und macht übertriebenes Aufdrehen oder Schweigen jeweils als ein Indiz für Unsicherheit aus. Teammitglieder schlicht „zum Reden zu bringen“ sei lediglich Symptombekämpfung. Berichtet wird das Beispiel eines introvertierten Teammitglieds, das aber, wenn ihm etwas wichtig war, seine Themen kundtat. Die Gästin empfiehlt einen Blick in die Liberating Structures als DAS Werkzeug, das dafür sorgt, dass jeder seinen Beitrag liefern kann und erlebt, dass er Wert stiftet.

Tribal leadership und unternehmenskulturelle Blickwinkel

Der letzte Diskutant dieses Themas erwähnt das Konzept „tribal leadership“ (zunächst für einen winzigen Moment ratlose Stille im Auditorium) und eine entsprechende Studie, die Sprach- und Beziehungsmuster beobachtet hat (siehe Literaturhinweise). Als Resultat kristallisierten sich fünf grundlegende Muster heraus:

Feindseligkeit.

Passive Aggressivität, Resistance to Change.

Einzelkämpfertum und Versuch, andere auszustechen.

Mitglieder desselben Tribes erleben Freude dabei, gemeinsam zum Wohl der Organisation zu arbeiten.

Menschen, die essenzielle Innovationen vorangetrieben haben, streben nach globaler Veränderung hin zum Guten.

(freie Übersetzung des Schreiberlings)

Gute Scrum-Teams, so der Teilnehmer, funktionieren erst ab Stufe 4 von 5, und er versäumt nicht zu erwähnen, dass man auch leicht wieder auf einen vorherigen Evolutionsstand zurückfallen kann. Im Rahmen einer kleinen Nebendiskussion, ob man am besten am oder im System arbeite, vertritt der Teilnehmer den Standpunkt, dass es erforderlich sei, Strukturen zu ändern (also auch am System zu arbeiten), damit Menschen Ergebnisse liefern können.

 

Welche Alternativen zur hierarchischen Ordnung kennt Ihr?

Das zweite Thema wird von demjenigen Teilnehmer mitgebracht, der das vorhergehende Thema geschlossen hatte. Laut dem von ihm gelesenen Buch von Gerhard Schwarz:„Die heilige Ordnung der Männer“ werden Hierarchien in Unternehmen beinahe ausschließlich von Männern gebildet und die Positionen darin vornehmlich durch sie bestückt. Der Themengeber stellt die Frage in den Raum, welche Axiome in solchen Hierarchien gelten. Laut Forschung sind für kleine Firmen Frauen mit ihrer Netzwerkstruktur günstiger, es sind hier weniger Insolvenzen zu verzeichnen als bei männlich dominierten Hierarchien, jedoch schon ab einer Anzahl von mehr als 15 Personen erweist sich die Hierarchie als das geeignetere Konstrukt, und „Männer gewinnen dann“. Netzwerkstrukturen laufen ab einer bestimmten Größe in Kommuikationsprobleme. Die Untersuchung des Schwarzschen Buches bezieht sich vor allem auf westliche Kulturen, erstreckt sich aber auch auf z. B. indigene Völker.

Es muss doch auch noch was anderes als das geben?!

Als Alternativen zu Hierarchien werden von einer Teilnehmerin „kollegiale Führung“ und „Pfirsich-Struktur der Organisation“ genannt. Mindestens zwei Gäste fragen verwirrt nach, ob sie bei dem Obst richtig gehört haben. Bei letzterer Struktur handelt es sich um eine kreisförmige Organisation mit einem Kern in der Mitte. Gemäß einem weiteren eingebrachten Blickwinkel müsste man gemäß der agilen Argumentation die Verantwortlichkeit herausstellen: Einer im Unternehmen muss ergebnisverantwortlich sein. Ein Hauptbestimmer, so wird in der Runde ermittelt, "bringt auch nicht weiter", entspricht aber leider einer menschlichen Schwäche: Das System erhält sich so selbst, und man muss sich drumherumbewegen. Es könnten beispielsweise alle gemeinsam für die Qualität von Produkten verantwortlich sein (populäres Beispiel Toyota, wo der einfache Bandmitarbeiter die Reißleine zieht, wenn er ein Qualitätsproblem bemerkt). Eine andere Teilnehmerin bringt Soziokratie ins Spiel, bei der sich die interessierten Personen von selbst finden, um eine Arbeit geeinsam zu verrichten. Die sogenannten „Drecksjobs“, die eigentlich niemand machen will, rotieren dabei.

 

Feedback-Schleife mit dem Management – wie baut man diese auf? (mit Verlängerung)

Jemand erwähnt OKR (gemeint sind die Techniken und Prinzipien dahinter), verzieht aber gleichzeitig das Gesicht, dass er sie eigentlich nicht so möge. (Wahrscheinlich wegen des Schindluders, der auch hiermit getrieben wird. Der Teilnehmer selbst spricht von einer der neuen Säue, die durchs Dorf getrieben werden – ein Ausdruck, den man im agilen Kontext inzwischen recht häufig lesen kann, irgendwie auffällig. Vielleicht liegt’s an der Vielzahl an zur Verfügung stehenden Konzepten und Modellen, die wechselweise plötzlich als heilsversprechend angesehen werden?). Als positiven Punkt stellt der Teilnehmer heraus, dass bei OKR die Zielerreichung von der Bezahlung getrennt wird. Es sei allerdings schwierig, geeignete Ziele zu setzen. Bei allen Zielerreichungssystemen sei folgendes relevant: Wir wollen Zusammenhänge begreifen und die Frage beantworten können: „Warum wollen wir diese Ziele erreichen?“ Als Beispiel wird ein Produkt X genannt, das an den Markt gebracht werden soll. Die Marketingabteilung trifft für ihre Arbeit Annahmen, und die hieraus resultierende Priorisierung muss befolgt werden. Allerdings, so der Teilnehmer, werde immer wieder von der Priorisierung abgewichen, was die Zielerreichung erschwere.(Das kommt einem doch irgendwie bekannt vor, man denke an Flight Level-Operationen im Kanban-Umfeld, um Unternehmen dazu zu zwingen, nicht eine Baustelle nach der anderen, anders genannt z. B. "Initiative" oder "(Groß-)Projekt", aufzureißen.)

Wie sag ich's meinem Manager?

Jemand anderes hat die Idee, dass man einen Aufhänger finden solle, um den Kontakt zum Management herzustellen. Es gehe auch darum, ein Coaching von Managern durchzuführen, Situationen zu beleuchten und Managern die Konsequenzen des eigenen Verhaltens in dieser gegebenen Situation aufzuzeigen.

Manager sind auch nur Menschen

Ein anderer Teilnehmer berichtet aus der Praxis, dass Manager als „harte Hunde“ angesehen (oder gar heimlich verehrt? die Red.) werden, die einmal jemanden entlassen haben. Manager, die ihre Teams verbessern helfen wollten, wären dagegen „Warmduscher“. Eine vom Teilnehmer erwähnte Studie von Bob Emiliani darüber, mit welchen Tätigkeiten sich Manager beschäftigen, lässt allerdings einen ernüchterten Blick auf diese Spezies zu: Manager bearbeiten vornehmlich die „low hanging fruits“, d. h., diejenigen Aufgaben, die leicht umzusetzen sind und daher auch schnellen Erfolg und schnelle Ergebnisse versprechen. Weiterhin kommt die Studie zu dem Schluss, dass man sich fragen muss, welche Sprache das eigene Feedback, das man erzeugt, wirklich spricht. Lean Manager und klassische Manager „sehen aneinander vorbei“, da sie ein unterschiedliches Wertesystem besitzen. Zumindest namentlich gibt es Überschneidungen bei einigen Werten, und der Teilnehmer regt an, an dieser Stelle einen Einstieg ins Gespräch zu versuchen.

Noch mehr ernüchterndes Schlusswort, berichtet vom gleichen Gast der Runde: Männer sind anfällig für ein Hocharbeiten in der Hierarchie, sie wollen entscheiden dürfen, aber diese Entscheidungen basieren häufig nicht auf Daten, sondern schlicht auf dem erarbeiteten Recht, Entscheidungen treffen zu dürfen.

An dieser Stelle wieder die eingebrachten Themen:

(Die wichtigste Themenkarte ist naürlich die unten rechts in der Ecke ;-).)

 Hier noch wie gewohnt die Literaturhinweise aus dem Chat:

https://en.wikipedia.org/wiki/Psychological_safety
https://services.google.com/fh/files/misc/dora_research_program.pdf
https://www.youtube.com/watch?v=LhoLuui9gX8
https://www.triballeadership.net/, https://www.amazon.de/Tribal-Leadership-Leveraging-Thriving-Organization/dp/0061251321/
https://hbr.org/2020/08/how-to-foster-psychological-safety-in-virtual-meetings
"Zuhören: eine wichtige Fähigkeit für Scrum Master (4 Bücher zum Einstieg)", https://www.teamworkblog.de/2019/03/zuhoren-eine-wichtige-fahigkeit-fur.html
Die ,,Heilige Ordnung‟ der Männer: Hierarchie, Gruppendynamik und die neue Genderlogik, https://www.amazon.de/Die-Heilige-Ordnung-M%C3%A4nner-Gruppendynamik/dp/3658104759/
https://nielspflaeging.medium.com/org-physics-the-3-faces-of-every-company-df16025f65f8
https://infos.seibert-media.net/pages/viewpage.action?pageId=99647608#Podcast:Echtjetzt?–SeibertMediadenktAgilitätneu-alle
https://www.soziokratie.org/ueber-mich-christianruether/
Metafinanz Changeland 1: https://www.youtube.com/watch?v=QLEsioTtuTs

(Mein Gott - wer soll das je alles lesen??? :-))

Obwohl an diesem Dienstagmorgen die Runde eher klein war, kamen aus unserer Sicht sehr interessante Themen und Diskussionen auf. Wir sind sehr gespannt, was Ihr uns am kommenden Dienstag mitbringt, wenn wieder Karlsruhe moderiert. Seid dabei!

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