Direkt zum Hauptbereich

Die Sache mit der Uhr - oder über den Umgang mit kleinen Änderungen

Eine sehr bekannte Beraterin berichtet von einem einfachen Test, der viel über die Veränderungsbereitschaft in einer Organisation aussagt. Sie bittet einen Verantwortlichen, eine Uhr an eine andere Stelle hinzuhängen, damit sie alle im Raum besser sehen. Hängt er sie um oder argumentiert er, warum sie dort bleiben muss? Sie werden sich wundern, wie alt diese Geschichte ist.


Ein Klassenraum aus der Zeit 1910-1920 (Quelle: Wikipedia)

Lillian Gilbreth war Organisationspsychologin

Bob Emiliani ist ein aktives Mitglied in der Lean-Thinking-Community. Er veröffentlicht fleißig Bücher, um Wissen zu teilen. Ich habe einige davon gelesen und kann sie sehr empfehlen.

Im letzten Jahr hat der die Doktorarbeit von Lillian Gilbreth digitalisiert. Lillian Gilbreth und ihr Mann Frank B. Gilbreth gehörten zu den Pionieren des Scientific Managements. (Scientific Management ist nicht mit Taylorismus zu verwechseln, so wie man auch Scrum nicht mit Bad Agile gleich setzt.)

Scientific Management ist angewandte Psychologie. Man beobachtet das Verhalten von Menschen. Auf Basis dieser Beobachtungen schafft man ein Arbeitsumfeld, in dem gutes Arbeit möglich ist. Das hat viel Bewegungsabläufen, Lichtverhältnissen und Ermüdungserscheinungen zu tun.

Im Jahr 1915 erscheint die Doktorarbeit von Lilllian Gilbreth mit dem Titel "Eliminating Waste in Teaching". Dazu hat sie Schulen besucht und die Erkenntnisse aus der Industrie auf Klassenräume angewendet. Sie beschreibt Fälle, in denen Lehrer durch schlechte oder mangelnde Organisation den Lernfortschritt behindern. Und nun komme ich zur Sache mit der Uhr.

Verändern Sie den Platz der Uhr?

Gilbreth schreibt, dass sie in den Gesprächen immer wieder vorschlägt, einen guten Platz für die Uhr zu finden./1, S. 135/ Wenn Lehrer und Schüler die Uhr gut sehen können, sind sie weniger abgelenkt. Sie ist erstaunt, welche Gegenargumente sie zu hören bekommt:
  • "Aber [die Uhr] war immer schon dort."
  • "Der Hausmeister wird die Arbeit nicht mögen."
  • "Dann ist da ja eine kahle Stelle."
  • "Die Kinder werden dann den ganzen Tag drauf schauen."
Gilbreth schlägt dann einen Test vor. Im ersten Experiment bekommt der Lehrer eine Uhr. Aber sie steht so, dass die Schüler sie nicht sehen können. Spätestens in der zweiten Hälfte der Stunde fragt jeder Schüler den Nachbarn wie spät es sei; besonders dann, wenn der Lehrer vorher auf die Uhr gesehen hat. 10 Minuten vor Ende fangen die ersten an, ihre Sachen einzupacken. (Sie wissen ja nicht genau, wann die Stunde aufhört.)

Im zweiten Experiment wird die Uhr so aufgestellt, dass auch die Schüler sie gut sehen können. Natürlich habe die Schüler immer wieder auf die Uhr geschaut. Aber das Fragen nach der Uhrzeit und das frühzeitige Packen sind entfallen. Das spart Zeit und Aufmerksamkeit für den Unterricht.

Ich lerne daraus zwei Dinge:
  1. Ich frage mich selbst, warum ich etwas ändern oder beibehalten will. Und um wen geht es hier eigentlich (um den Hausmeister oder um die Schüler)? 
  2. Bevor ich eine Änderung vorschläge, sollte ich mir einen Test überlegen. Wie kann ich schnell und einfach prüfen, ob meine Änderung ein Erfolg ist? Und was sind meine Bewertungskriterien?
So, ich muss weiter. Ist schon wieder so spät. (Konnte die Uhr gar nicht sehen.)

Anmerkungen und Verweise:

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Und jetzt alle zusammen! Teams - OneNote - Aufgaben - To Do

Ein Meeting jagt das nächste. Sich da nicht zu verzetteln, wird  im Zeitalter virtueller Besprechungen  noch anspruchsvoller. Kein Wunder, dass  im Zusammenhang mit Microsoft 365  zwei Fragen besonders häufig auftauchen: Wie dokumentiert man Besprechungen gut? Was hilft, offene Aufgaben nachzuhalten? Eine gute Lösung: Das in MS Teams integrierte OneNote-Notizbuch als gemeinsame Plattform auch für den Aufgabenüberblick zu nutzen.

Outlook-Aufgabenliste: bitte nicht die Aufgaben des ganzen Teams!

Am Tag der Arbeit kommt eine Lösung, nach der ich schon so oft gefragt wurde: Wie schaffe ich es, dass meine Outlook-Aufgabenliste nur meine eigenen Aufgaben anzeigt und nicht auch die E-Mails, die meine Kollegen gekennzeichnet haben oder Aufgaben, die einfach in einem gemeinsamen Postfach stehen?

Kategorien in Outlook - für das Team nutzen

Kennen Sie die Kategorien in Outlook? Nutzen Sie diese? Wenn ja wofür? Wenn ich diese Fragen im Seminar stelle, sehe ich oft hochgezogene Augenbrauen. Kaum jemand weiß, was man eigentlich mit diesen Kategorien machen kann und wofür sie nützlich sind. Dieser Blogartikel stellt sie Ihnen vor.

Das Ubongo Flow Game

Spiele bieten eine gute Gelegenheit, zeitliche Erfahrungen zu verdichten und gemeinsam zu lernen. Karl Scotland und Sallyann Freudenberg haben im Mai 2014 das Lego Flow Game veröffentlicht. Wir haben die Spielidee übernommen, aber das Spielmaterial gewechselt. Statt Legosteinen benutzen wir Material aus Grzegorz Rejchtmans Ubongo-Spiel. Hier präsentieren wir die Anleitung für das Ubongo Flow Game.

E-Mail-Vorlagen gemeinsam nutzen (Outlook)

Mittlerweile wird praktisch alle Routine-Korrespondenz in Outlook erledigt. Was liegt da näher, als ein gutes Set von Vorlagen zu erstellen und diese gemeinsam in Team zu nutzen? Leider hat Microsoft vor diesen – an sich simplen – Wunsch einige Hürden gebaut.

Protokolle in OneNote - neue Ideen für's neue Jahr

Protokolliert Ihr Team seine Besprechungen in OneNote? Das geht einfach, schnell ist teamfähig und hat eine exzellente Suchfunktion. Die beliebte Fragen "Wann haben wir eigentlich beschlossen, dass..." ist so schnell beantwortet. Darum wird OneNote an dieser Stelle immer beliebter. In meinen Seminaren dazu sind gute Ideen entstanden, die ich hier weitergeben will.

Beispiel für eine Partyplanung mit Scrum

Wer sich neu mit Scrum beschäftigt, ist vielleicht überwältigt von den ganzen Fachbegriffen. Dann sieht man vielleicht gar nicht, wie einfach die einzelnen Elemente von Scrum sind. Deshalb hier ein einfaches Beispiel für die Vorbereitung einer Party mit Hilfe von Scrum.

Optimieren wir uns zu Tode?

Als jemand, der mehr als fünfzehn Jahre in der Welt des IT-Service-Management-Prozessmanagements verbracht hat, musste ich das Buch von Guther Dueck aus dem Jahr 2020 Heute schon einen Prozess optimiert? Das Management frisst seine Mitarbeiter lesen/1/. Typisch für ihn bietet Dueck uns einen provokanten, teils vernichtenden, jedoch humorvoll geschriebener Weckruf. Er behauptet, dass das moderne Management von “Pacesetters” und “Controllers” dominiert wird. Sie sind so sehr auf Optimierung und Profit fokussiert, dass sie den Willen zu Innovation und Unternehmertum abtöten. Jedoch ohne mehr Kreativität und Tatkraft werden wir die Herausforderungen der Digitalisierung, des Klimawandels etc. nicht bewältigen. Ein agiles Mindset kann helfen.

Projekt-Kick Off – Wie Du einen Auftakt gestaltest, der alle Kräfte freisetzt!

Ein typisches Szenario:  Zum Auftakt wird das neue Projekt vom Verantwortlichen vorgestellt. Die vorbereitete PowerPoint-Präsentation zeigt in bunten Bildern, welche Traumschlösser vom Team umgesetzt werden sollen. Doch statt der erhofften Aufbruchsstimmung macht sich Widerstand breit. Diskussionen kommen auf. Das Kickoff-Meeting wird zur Bühne der Lauten. Miese Stimmung macht sich breit. Die Lauten werden lauter, die Stillen werden leiser.  Kommt Dir das bekannt vor? Häufig werde ich gefragt: "Maria - wie sieht das in der Praxis aus? Wie gestalte ich als Moderator ein strukturiertes Meeting?". In diesem Artikel stelle ich Dir EINEN alternativen Ablauf einer Kickoff-Veranstaltung in fünf Schritten vor. Ein Gestaltungsvorschlag, der Impulse und Mut zum Experimentieren neuer Formate bieten soll.  Was es ermöglicht: Förderung des Projekterfolg Frühes gemeinsames Verständnis des Projekts Missverständnissen wird vorgebeugt Es werden hilfreich Hinweise sichtbar, WIE d

Agiles Mindset – Gibt es das überhaupt? Eine wissenschaftliche Perspektive

Es ist in aller Munde: Das Agile Mindset. Es wird als wichtiger Erfolgsfaktor und gleichzeitig riesige Hürde und Herausforderung in agilen Transformationsvorhaben beschrieben. Der ein und andere hat verbunden mit einem gescheiterten agilen Vorhaben vermutlich schon mal gehört „Die hatten einfach nicht das richtige Mindset“. Doch was ist dieses agile Mindset? Gibt es das überhaupt?