Direkt zum Hauptbereich

Welche Tools braucht ein Product Owner?

Die Rolle des Product Owners ist gar nicht so einfach zu verstehen. Der Scrum Guide spricht hier vom Wertoptimierer. Wie geht das nun genau? Ich hätte da zwei Fragen, mit denen wir die Rolle besser verstehen.

Wie entstand die Rolle des Product Owners?

 

Der Miterfinder von Scrum Jeff Sutherland berichtet aus dem ersten Scrum-Projekt. Das Team hatte zu viele Ideen und feste Termine. Das Team konnte sich nicht einigen, welche Ideen die besten seien. Daher wurde eine Person dazu abgestellt, um herauszufinden, was das Produkt gut macht. Der erste Product Owner ging ständig die Ideenliste durch, horchte sich am Markt um und besprach die Umsetzung mit dem Team. Das hat gut funktioniert. Deswegen wurde die Rolle beibehalten.

Um die Arbeit des POs genauer zu beschreiben, müssen wir die wesentlichen Begriffe für seine Arbeit genauer begreifen.

1. Frage: Was soll sich konkret ändern?

 

IT-Systeme haben per se erst einmal keinen Wert. Nur geänderte Arbeitsweisen sparen Geld oder führen zu zusätzlichen Einnahmen. John Ward und Elisabeth Daniel argumentieren, dass der überwiegende Nutzen aus folgenden drei Quellen kommt /1/:
  • Die Organisation kann nach der Projektinvestition neue Dinge tun oder Dinge anders erledigen. Vorher war dies nicht möglich.
  • Die Organisation kann Dinge, die sie sowieso tun muss, deutlich besser erledigen.
  • Die Organisation kann aufhören, bestimmte Dinge zu tun, die nicht mehr nötig sind.
Als Product Owner könnten Sie sich fragen, was können die Anwender oder Nutznießer des Projekts nach dem Projekt neues tun, besser tun oder stoppen.

Jeff Patton weist daraufhin, dass wir uns in technischen Projekten gut überlegen sollen, was wir auf den Markt bringen. Wenn Scrum uns hilft, mehr sinnlose Features zu veröffentlichen, ist noch nichts gewonnen /2/. Er unterscheidet zwischen Output, Outcome und Impact. Im Deutschen würden wir das in etwas mit Arbeitsergebnis, Wirkung und echter Veränderung übersetzen. Ein neues Feature ist zunächst ein Arbeitsergebnis. Die Software hat jetzt eine Funktion mehr. Das kann man zählen. Aber nutzt der Kunde sie auch? Wenn ja, hätte das Ergebnis auch eine Wirkung. Aber ändert sich etwas grundlegend im o. g. Sinne? Dann wäre es wirklich eine Veränderung.

Aber welche Veränderung brauchen wir genau? Hier können wir auf eine Beschreibung von Clayton Christensen zurückgreifen. Er fasst die Kaufentscheidung eines Kunden so zusammen. Kunden kaufen nicht einfach ein Produkt. Sie heuern es an, damit es ihnen im Alltag hilft, unter bestimmten Umständen einen Fortschritt zu machen ("Jobs to be done") /3, Pos. 533/. Dabei sind nicht nur funktionale, sondern auch soziale und emotionale Aspekte zu berücksichtigen. Das Produkt hilft dabei einen Job zu erledigen. Sei es einfach voranzukommen, ein Hindernis beseitigen oder bestimmte Ziele zu erreichen. Das Produkt hilft deshalb, weil die vorherigen Lösungen nicht passten oder gar nicht existierten.

2. Frage: Ist jemand bereit, für diese Änderung zu bezahlen?

 

Wir haben herausgefunden, was der Kunde braucht. Wir verstehen seine konkrete Situation. Die neuen Funktionen, die wir ihm anbieten wollen, helfen ihm voranzukommen. Aber ist er auch bereit, dafür zu bezahlen? Und was wäre ein guter Preis?

Preis und Kosten sind bekanntlich unabhängige Funktionen /4/. Der Preis sollte sich nicht aus Kosten plus Marge berechnen. Besser ist es, Marktpreise zu finden und das eigene Produkt damit zu vergleichen. Die Marge ergibt sich aus dem Preis abzüglich der eigenen Kosten. Das ist eine wichtige Unterscheidung. Es geht nicht darum, zu welchem Preis ich verkaufen will, sondern darum, zu welchem Preis ich verkaufen kann.

Nehmen wir an, Sie als PO und Ihr bauen eine tolle neue Funktion in ihr Produkt ein. Aber diese Funktion bieten bereits alle anderen Mitbewerber an. Was ist dann der Preis für diese Funktion? Sicherlich werden die Kunden sagen: "Wieso soll ich hierfür Geld bezahlen, wenn ich es bei der Konkurrenz billiger bekommen kann?"

Wenn Sie einen höheren Preis haben möchten, müssen Sie prüfen, warum dieser Preis gerechtfertigt ist.

Was macht ein PO?

 

Mit den zwei Fragen "Was ändert sich?" und "Wer bezahlt?" klärt sich auch, was ein PO machen kann. Da fallen mir zum Beispiel folgende Punkte ein:
  • Potenzielle Kunden beobachten. In welchen Kontexten sind sie gerade? Welche Jobs müssen sie erledigen? Wo klemmt es genau? Welche Wünsche und Ziele haben sie? User Personae können hier helfen.
  • Auf die ganze Benutzergeschichte achten, von Anfang bis zum Ende. Wie könnte ein Kunde das Produkt benutzen, damit er weiterkommt. User Story Maps sind hier sinnvoll.
  • Konkurrenzprodukte und Preise suchen und vergleichen. Das Konkurrenzprodukt muss nicht unbedingt die Software eines anderen Herstellers sein. Es kann auch sein, dass der Kunde das Problem ohne Software löst.
  • Wissen organisieren. Dazu werden Etappenziele festgelegt, zu denen etwas fertig ist. Dies Zwischenergebnis wird dazu benutzt, um mehr über den Kunden, Funktionsweise, Preisvorstellungen und Technologie zu lernen.

Welche Tools braucht ein PO?

  • Welche Tools braucht man, um zu beobachten? Papier, Stifte, Videos, Fotos.
  • Welche Tools braucht man, um sich einen Überblick zu verschaffen? Story Maps und Haftnotizzettel
  • Welche Tools braucht man, um Preis und Funktionen zu bewerten? Tabellen, Taschenrechner
Einige dieser Informationen will man vielleicht mit entfernten Personen teilen. Dann wären Online-Werkzeuge hilfreich. Meine erste Wahl wären aber immer Papier und Stifte.

Wenn ich weiß, was ich wissen will ("Was ändert sich?" und "Wer bezahlt?"), werde ich gute Werkzeuge finden. Wenn mir nicht klar ist, was ich wissen will, helfen auch keine Tools.

Anmerkungen

  • /1/ Ward, John ; Daniel, Elizabeth: Benefits Management : Delivering Value from IS and IT Investments. New York: Wiley, 2006.
  • /2/ Patton, Jeff ; Economy, Peter: User Story Mapping : Discover the Whole Story, Build the Right Product. Sebastopol: "O'Reilly Media, Inc.", 2014.
  • /3/ Christensen, Clayton M. ; Hall, Taddy ; Dillon, Karen ; Duncan, David S.: Competing Against Luck : The Story of Innovation and Customer Choice. Heidelberg: HarperCollins, 2016.
  • /4/ Nagle, Thomas T. ; Hogan, John E. ; Zale, Joseph: The Strategy and Tactics of Pricing : A Guide to Growing More Profitably. Harlow: Pearson Education Limited, 2016.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Wie lassen sich Ergebnisse definieren? - Drei Beispiele (WBS, CBP und BDN)

Ich habe schon darüber geschrieben, warum das Definieren von Ergebnissen so wichtig ist. Es lenkt die Aufmerksamkeit des Projektteams auf die eigentlichen Ziele. Aber was sind eigentlich Projektergebnisse? In diesem Beitrag stelle ich drei Methoden vor, um leichter an Ergebnisse zu kommen.

Microsoft Teams: Die neuen Besprechungsnotizen - Loop-Komponenten

  Haben Sie in letzter Zeit in einer Teams-Besprechung die Notizen geöffnet? Dort sind inzwischen die Loop-Komponenten hinterlegt. Die sind zwar etwas nützlicher als das, was zuvor zur Verfügung stand. Trotzdem ist noch Luft nach oben. Und es gibt sogar einige ernstzunehmende Stolperfallen. Hier ein erster, kritischer Blick auf das was Sie damit tun können. Und auch darauf, was Sie besser sein lassen.

Wie Agilität den Kundennutzen steigert - Einige Argumente für Berater:innen

In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit fragen sich viele, ob agile Beratung noch eine Zukunft hat. Die Antwort liegt in der konsequenten Orientierung am Kundennutzen. Qualität setzt sich durch, wenn sie messbare Verbesserungen bei Umsatz, Kosten und Leistungsfähigkeit bewirkt, anstatt sich in Methoden und zirkulären Fragen zu verlieren. Dieser Artikel zeigt, wie agile Beratung nachhaltige Veränderungen in Unternehmen schafft und warum gerade jetzt gute Berater:innen gebraucht werden, um Organisationen widerstandsfähiger zu machen.

Warum eine Agile Transformation keine Reise ist

Die agile Transformation wird oft als eine Reise beschrieben. Doch dieser Vergleich kann viele Unternehmen in die Irre führen oder Bilder von unpassenden Vergleichen erzeugen. Transformationen sind keine linearen Prozesse mit einem klaren Ziel, sondern komplexe und dynamische Entwicklungen. Dieser Artikel zeigt, warum Agilität kein Weg mit einem festen Endpunkt ist.

Kleine Organisationsveränderungen, die direktes Feedback erzeugen

Große Veränderungen sind in einer Organisation schwer zu messen. Oft liegt zwischen Ursache und Wirkung ein langer Zeitraum, sodass die Umsetzer:innen nicht wissen, was genau gewirkt hat. Hier ist eine Liste mit kleinen Maßnahmen, die schnell etwas zurückmelden.

Agile Leadership – Führst du noch oder dienst du schon?

Die Arbeitswelt verändert sich. Und das spüren nicht nur Führungskräfte, sondern vor allem Mitarbeitende. Immer mehr Menschen hinterfragen den Sinn ihrer Arbeit, erwarten Respekt, Vertrauen und eine Unternehmenskultur, die echte Zusammenarbeit ermöglicht. Studien wie die Gallup-Studie 2025 oder die EY-Jobstudie zeigen: Der Frust am Arbeitsplatz wächst – und mit ihm die Unzufriedenheit mit der Führung. Höchste Zeit, umzudenken. Genau hier setzt agile Führung an. 1. Warum agile Führung heute entscheidend ist  Klassische Führung – hierarchisch, kontrollierend, top-down – funktioniert immer weniger. Die Zahlen sind eindeutig:  Laut Gallup fühlen sich nur noch 45 % der deutschen Beschäftigten mit ihrem Leben zufrieden. Fast jede dritte Kündigung erfolgt wegen der Führungskraft. Nicht das Gehalt, sondern mangelnde Wertschätzung, fehlendes Vertrauen und ein schlechtes Arbeitsumfeld treiben Menschen aus Unternehmen.  Agile Führung bietet eine Alternative, die auf Vertrauen, Selbs...

Ent-Spannen statt Platzen: Erste Hilfe für mehr Vertrauen und Resilienz im Team

Zwei Themen die mir in den letzten Wochen immer wieder über den Weg laufen sind Vertrauen und Resilienz. Vertrauen als das Fundament für gemeinsame Zusammenarbeit und Resilienz als die Fähigkeit, Herausforderungen, Stress und Rückschläge zu bewältigen und gestärkt daraus hervorzugehen.  In dem Blogpost möchte ich ein paar Erste-Hilfe Interventionen teilen, die zu mehr Vertrauen und Resilienz im Team führen können - gerade wenn die Emotionen hochkochen und es heiss her geht im Team. Die „Mist-Runde“: Ärger Raum geben. In konfliktbeladenen oder belasteten Teams kann es eine große Herausforderung sein, eine offene Kommunikation und ein respektvolles Miteinander zu fördern. Eine einfache, aber äußerst effektive Methode, um Spannungen abzubauen, ist die „Mist-Runde“ . Diese Intervention, die ich zuerst bei Veronika Jungwirth und Ralph Miarka kennengelernt habe, gibt den Teilnehmern einen geschützten Raum, in dem sie ihre Frustrationen und negativen Gedanken ohne Zensur äußern können un...

Microsoft Lists: mit Forms und Power Apps komfortabel mobil arbeiten

In meinem Kundenkreis sind viele Menschen, die den Arbeitsalltag nicht vorwiegend auf dem Bürostuhl sitzend verbringen, sondern "draußen" unterwegs sind. Vielleicht in Werkstätten oder im Facility-Management. Es ist so wichtig, dass die Schnittstellen zu den Abläufen im Büro gut abgestimmt sind. Microsoft 365 hat so einiges im Baukasten, man muss es nur finden und nutzen.  In diesem Artikel spiele ich ein Szenario durch, das auf Microsoft Lists, Forms und - für die Ambitionierteren - Power Apps setzt.

Selbstbewertungsfragen für den Alltag in Arbeitsgruppen aus Sicht von Mitarbeitenden

Welche Fragen können wir Mitarbeiter:innen stellen, um herauszufinden, ob agiles Arbeiten wirkt? Es gibt bereits eine Menge an Fragebögen. Aber ich bin nicht immer zufrieden damit.